Zwölf Referenten und Experten in drei Online-Modulen innert drei Wochen.

Dies war die Marketingrunde für Immobilienprofis 2020. Das neue Format der Marketingunde nutzten heuer rund 120 Teilnehmer an ihren Computern, Laptops und Smartphones, um auch in Corona-Zeiten auf den neuesten Stand in Sachen Immobilienmarketing gebracht zu werden.

PROF. DR. STEFAN KIPPES
Lehrstuhl für Immobilienmarketing, HfWU Nürtingen-Geislingen
Im 1. Teil der Marketingrunde 2020 am 3. Juni stellte Prof. Stephan Kippes von der HfWU Nürtingen-Geislingen dar, wie sich das Immobilienmarketing vor allem auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung in den letzten Jahren veränderte. Er geht davon aus, dass Online-Besichtigungen von Liegenschaften schon bald zum Standard gehören werden.

In der Vergangenheit hätten Makler durch Echtzeit-Begehungen der Miet- oder Kaufobjekte viel zu viel Zeit verloren, so Kippes. In Zukunft würden die Vermittler nur noch mit zwei oder drei «heissen» Kandidaten die Immobilie real und tatsächlich betreten und begutachten. Was in der Branche aber immer noch fehle sei das richtige After-Sales-Marketing und damit ein Kundenbindungselement, so Kippes' Meinung.

Wichtig sei zudem ein gutes Onsite-Marketing, gerade auch vor Ort an der Immobilie bzw. an der Baustelle. Entscheidend für laufende und künftige Kundenbeziehungen seien darüber hinaus gute Online-Bewertungen. Viele in der Vermarktungsbranche tätige Akteure würden diesem Bereich noch nicht die Wichtigkeit beimessen, die dieser verdiene.

Ein einfaches Tool für das eigene Reputationsmanagement sei etwa die Einstellung eines Google-Alerts, um direkt zu erfahren, wenn etwas über die eigene Firma im World Wide Web veröffentlicht werde – und nicht erst wenn der Shitstorm über die eigene Unternehmung bereits hinwegziehe.
Im Anschluss zeigte Katrin Hitziggrad, Konzepterin und Beraterin für Produkt- und Marketingmanagement in der Wohnungswirtschaft, anhand des Beispiels JenaFREEstyle, wie man auch kreativ und erfolgreich unrenovierten Wohnraum von ostdeutschen Plattenbauten vermarkten kann. Mit JenaFREEstyle wurde im September 2018 eine Kampagne gestartet, die neue und vor allem jüngere Zielgruppen für den Wohnungsbestandshalter Jena Wohnen (Stadtwerke Jena Gruppe) ins Visier nahm.

Im Stadtteil Lobeda verfügt dieser Eigentümer über 6.700 Wohneinheiten im Bestand, vor allem in Plattenbauten aus den 1960er und 1970er Jahren, die zu Zeiten der DDR entstanden. Dort gebe es mit 1,2% zwar kein akutes Leerstandsproblem, so Hitziggrad, jedoch mit einem Schnitt von über 60 Jahren eine recht hohe Altersverteilung. Hier will man aus kommunaler Sicht die weitere Entwicklung aus Stadtsicht aktiv mitgestalten und mit der auf zwei Jahre angelegten Aktion auch die Kreativität der Mieter fördern. Etwa indem sie unsanierte Liegenschaften übernehmen und dort selbst an der Gestaltung und Einrichtung ihrer Immobilie (das Wording lautet: „Mach dir 'ne Platte!") tätig werden.

Das JenaFREEstyle-Angebot lockt zum Beispiel mit einem Monat Mietfreiheit, einem Gutschein für einen Einkauf im Baumarkt und generell niedrigeren Mietzinsen als in den anderen Wohnungen. >JenaFREEstyle: ungeniert unsaniert

KATRIN HITZIGGRAD
Konzepterin & Beraterin in der Wohnungswirtschaft, Jena

MICHA JAHN
Head of Customer Product
Homegate AG

Micha Jahn, Head of Customer Product bei der Homegate AG, beschrieb danach, wie der Schweizer Immobilienmarktplatz in Zeiten des Corona-Lockdowns mit dem Tool Online-Live-Besichtigungen experimentierte. So etwa bei einem Objekt an der Käferholzstrasse in Zürich, wo ein virtuelles 1-zu-1-Makler-Meeting sowie auch Gruppen-Besichtigungen angeboten wurden. Während der Makler den Rundgang durch die Wohnung unternahm, konnten per Internet zugeschaltete Interessenten Fragen stellen und Kommentare abgeben.

Jahn berichtete davon, dass die Testphase zwar einigermassen erfolgreich gewesen sei, die Annahmen und Erwartungen des Projektteams aber nicht zu 100% getroffen wurden. Generell wurden zwar die Angebotsmailings für Online-Besichtungen in grossen Zahlen geöffnet, jedoch liess die Zahl derer zu wünschen übrig, die dann tatsächlich aktiv Interesse hieran zeigten. Jahn gab zu, dass es ein Pilotprojekt war und es sich um einen „ersten Wurf" handele.

Eines der Ergebnisse dieses Tests war auch, dass Online-Live-Besichtigungen dabei helfen, in einer ersten Runde die Spreu vom Weizen zu trennen. Man finde so besser die Kerngruppe für eine ausgeschriebene Wohnung, so Jahn. Die Ursprungsvermutung, dass Online-Besichtigungen die klassische Art schon bald ganz ablösen würden, sei eher widerlegt worden, so der Customer Product-Fachmann.

Roman Bolliger, Initiator und Moderator der Marketingrunde sowie CEO der Swiss Circle AG, ergänzte hierbei, dass sich das Online-Tool besonders bei Neubauten eigne, wo eine frühe und konsequente Selektion bei einer grossen Zahl von Interessenten für viele verschiedene Wohnungen erfolge. >Online Live Besichtigungen
Prof. Dr. Egon Schranz, Dozent der Berner Fachhochschule und der ZHAW in Zürich, bezeichnete die Digitalisierung in der Kommunikation als Megatrend, wobei die Umsetzung eher ein soziologisches als ein technisches sei. So sei etwa eine Wohnungsbesichtigung «mit allen Sinnen» digital einfach nicht möglich. Es werde wohl in Zukunft auch weiterhin ein «Sowohl als auch» geben. Die Online-Welt unterstütze dabei, der Entscheidung näher zu kommen. Ein virtueller Rundgang könne jedoch nicht allein beim Entscheiden helfen.

Diese Tools müssten als Ergänzung verstanden werden und nicht als Ersatz von bisherigen Methoden. Laut Schranz könnte aber das Virtuelle eine zusätzliche Facette auf dem Weg der Entscheidungsfindung sein – und am Ende vielleicht sogar matchentscheidend.

Seine Kritik an der heutigen Vermarktung von Immobilien richtete sich hingegen vor allem gegen den grossen "Gap" zwischen Bau- und Nutzungsphase. «Es gibt ein Leben nach dem Bau. Doch für die Baufachleute endet die Arbeit mit der Bauübergabe. Für andere beginnt dann erst die Arbeit», sagte Schranz. Hier gelte es, über die Lebensphasen einer Immobilie Interessenkonflikte etwa zwischen dem Erbauer und dem späteren Vermarkter bzw. Bestandshalter resp. Nutzer zu minimieren.

PROF DR. EGON SCHRANZ
Marketingdozent FH Bern und ZHAW Zürich

MATTHIAS KIESS
CEO TBWA
"Gute Werbung ist authentisch, kontextuell, schnell und günstig und wird der heutigen Komplexität gerecht."

Matthias Kiess, CEO der Zürcher Werbe- und Kommunikationsagentur TBWA, stellte gleich zu Beginn der zweiten Online-Session neue Trends in der Kommunikation vor. Im Gegensatz zu früheren Zeiten würden heute die Zielgruppen nicht nur einfach passiv zuschauen, sondern viel aktiver auftreten und mitsprechen und mitentscheiden wollen. Produkte und Projekte müssten zudem sinnstiftend sein und klare Botschaften aufweisen. Der heutige Konsument sei viel aufgeklärter und schlauer als auch schon. Die digitale Disruption erlaube es, ganz neue Kampagnen zu fahren und statt einer grossflächigen Anzeige im Print mit hohen Streuverlusten etwa hunderte verschiedene kleine Banner im Web zu schalten, die unterschiedlichste Zielgruppen direkt und exakt anvisierten. Kiess' Fazit: «Gute Werbung ist heute authentisch, kontextuell, schnell und günstig und wird der heutigen Komplexität gerecht. >Trends in der Kommunikation
Melanie Müller, Head of Social Media & Marketing Automation bei der Homegate AG, stellte danach vor, wie sich der Immobilienmarktplatz in Zeiten der Corona-Pandemie verstärkt dem Thema Kommunikation mit den Anzeigenkunden und den Konsumenten, also sowohl B2B als auch B2C, widmete. Dazu zählten spezielle Updates per Mail im Namen von CEO Jens-Paul Berndt oder auch regelmässige Produktnews sowie eigene Webinare, um Verkäufern wie potenziellen Käufern und Vermietern wie allfälligen Mietern, mit wichtigen Informationen zur Seite zu stehen und damit auch Kundenbindung zu erbringen. >E-Mail-Marketing

MELANIE MÜLLER
Head of Social Media & Marketing Automation bei Homegate

PHILIPPE FREI
Leiter Vermietungs-Management bei Livit
"Partizipative Ansätze bereits bei Erstellung des Objekts vor Ort an der Baustelle nutzen."

Philippe Frei, Leiter Vermietungsmanagement bei der Livit AG, zeigte anhand des neuen «Virtual Reality Promoters» beim Zürcher Entwicklungsprojekt Guggachpark, wie ein partizipativer Ansatz bereits in der Phase der Erstellung direkt vor Ort an der Baustelle genutzt werden kann, um Interesse an den Neubauwohnungen zu wecken und bestimmte Zielgruppen direkt anzusprechen. Dies gelang über eine virtuelle Mieterin, die Tag und Nacht 24/7 an der Käferbergstrasse verfügbar war und in Lebensgrösse auf einem Monitor durch das Projekt führte, um so die neuen Wohnungen mittels 360-Grad-Panorama-Rundgang zu erleben. >Digitales Marketing - Projekt Guggachpark
Sandra Wetzel, Expertin für Immobilienkommunikation, definierte schliesslich welche wichtigen Meilensteine bei der Planung und Realisierung von Immobilienprojekten zu beachten sind. Sie unterschied hierbei von reiner Unternehmens-, Projekt- und Prozesskommunikation. Gerade dann, wenn es etwa bei Studien-, Architektur- oder Bebauungsplanverfahren und Investorenwettbewerben darum gehe, Akzeptanz bei der Verwaltung, in der Politik, aber eben auch bei den Bürgern zu schaffen und eine positive Resonanz zu erzeugen. >Immobilienkommunikation

SANDRA WETZEL
Expertin für Immobilien-Kommunikation

NICOLAS BÜRER
Geschäftsführer Digitalswitzerland
Der 3. Teil der Marketingrunde 2020 nahm sich dann am 17. Juni des Themas Digitalisierung an und ermöglichte den Zuschauern und Zuhörern mit dem Referenten Nicolas Bürer, Geschäftsführer von Digitalswitzerland, etwas über die digitale Fitness der Schweiz zu erfahren. Er sprach etwa davon, dass die durch Covid-19 erzwungene grosse digitale Testphase mit Homeoffice und verstärktem Online-Handel die technische Adaption bei Unternehmen und Konsumenten innert acht Wochen einen Fortschritt gemacht hat, der in normalen Zeiten vermutlich fünf Jahre gebraucht hätte. Zugleich nimmt er aber auch an, dass durch die fortschreitende Digitalisierung auf mittlere Sicht etwa 1 bis 1,2 Millionen Arbeitsplätze gefährdet sein werden, während die neuen Technologien circa 800.000 bis 1 Million neue Arbeitsplätze schaffen werden. >Digitalisation - how fit ist Switzerland?

"Etablierte Unternehmen, die jetzt nicht handeln, könnten zu digitalen Dinosauriern verkümmern."

Mario Facchinetti, Repräsentant des Schweizer Innovationsnetzwerks SwissPropTech, stellte hieran anschliessend dar, wie und wo im Bereich der Immobilientechnologien (PropTech = Property Technology) die Musik derzeit spielt. Hier seien es vor allem die Bereiche Prozessoptimierung, Datenvisualisierung sowie virtueller Raum, in denen sich viele neue Firmen mit neuen Ideen und Innovationen zeigten. Etablierte Unternehmungen hätten sich in den kommenden Jahren zu entscheiden, ob sie den technologischen Wandel annähmen und aufgreifen, um zu Innovationsleadern zu werden oder ob sie im Worst-case zu digitalen Dinosauriern verkümmerten. Die Pflicht eines jeden Unternehmens sei es, Kunden und User zu verstehen. Die Kür bestehe darin, Geschäftsmodelle, Ökosysteme und Technologien für deren Bedürfnisse zu kreieren. >PropTech-Szene Schweiz

MARIO FACCHINETTI
Netzwerkleiter SwissPropTech

YVES STUDER
Head of Consumer Segmen
Homegate AG
Dem stimmte auch Yves Studer, Head of Consumer Segment bei Homegate, zu. Es gelte, die Probleme von Menschen zu lösen, sagte er. Hinzu komme, dass das Thema Immobilien bzw. Wohnen ein sehr emotionales sei. Mit verschiedenen Einzelteams versuche man bei dem zur TX Group zählenden Immobilienmarktplatz die Kundenwünsche und -bedürfnisse und Änderungen dabei frühzeitig zu antizipieren. Der Innovationsprozess bei Homegate laufe über vier Stufen: Discovery (Entdecken), Problemverständnis, Ideation (Ideenfindung) und Testing (Testen). Ein häufiges Merkmal bei potenziellen Mietern und Käufern von Immobilien sei FOMO (fear of missing out), also das Gefühl etwas zu verpassen, zum Beispiel DAS entscheidende Angebot bzw. Inserat mit der Traumwohnung oder dem perfekten Haus. >Ein Blick in den digitalen Maschinenraum
Mark Petzoldt, Gründer des Berliner PropTechs Joyce, berichtete danach vom «Digitalen Doping für die Immobilienbranche». Sein Ziel sei es, mit seinem Startup «Real Estate aus diesem Jahrhundert» anzubieten. Will heissen: Wohnungen, Materialien und Ausstattungen im Baukastenprinzip. Der Kunde soll das Produkt soweit wie möglich individualisieren können, und dies bereits vor oder in der Bauphase. Diese Art von Individualität habe zudem den Vorteil, höhere Preise für das jeweilige Produkt, sei es nun das Wunschparkett oder die spezielle Badezimmer-Ausstattung aufrufen zu können. Und am Ende sei der Kunde einfach zufriedener, so Petzoldt. >Real Estate aus diesem Jahrhundert

MARC PETZOLDT
Geschäftsführer Joyce, Berlin
Die Marketingrunde 2021:
Mittwoch, 9. Juni 2021


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